Was ist eine ATELIERISTA?
Der Begriff "Atelierista" stammt aus der Reggio Pädagogik. Das "Atelier" hat eine zentrale Bedeutung in den Bildungseinrichtungen der Stadt Reggio Emilia. Seit den 1960er Jahren gibt es ein Atelier in jedem Kindergarten. Eine unglaubliche Errungenschaft, die sich noch mehr ausweitete: Zusätzlich zum zentralen Atelier sind auch „Mini-Ateliers“ in jeder Gruppe entstanden, seit den 1970er Jahren auch in allen Krippen. Eine „Atelierista“, eine Atelier-Leiterin oder ein Atelier-Leiter ist fixer Bestandteil des Teams in jeder Einrichtung. Sie oder er hat eine künstlerische Ausbildung und arbeitet mit den Pädagoginnen und Pädagogen zusammen.
Bei einer Studienreise nach Reggio Emilia im Zuge meiner Ausbildung beim Forum Reggio Pädagogik https://www.reggio-paedagogik.at habe ich den Vortrag „Die Kultur des Ateliers“ besucht.
Atelierista Mirella Ruozzi (Reggio Children) erklärte die Begriffe „ATELIER“ und „ATELIERISTA“ so:
„Warum verwenden wir in der Reggio Pädagogik das französische Wort "Atelier" und nicht etwa das italienische Wort "Laboratorio" für "Werkstatt"?
Es gibt mehrere Gründe für die Entscheidung, dieses Wort zu verwenden. Wir verwenden es im Sinne des Maler-Ateliers, wie es die Impressionisten verstanden haben, wie sich dieser Begriff im 18./19. Jahrhundert entwickelt hat. Das Atelier als Treffpunkt der Maler, aber auch der Dichter, Schriftsteller, Musiker und der Intellektuellen.
Die Atelierista ist also nicht nur eine Malerin, nicht nur eine Künstlerin, sie ist eine Brückenbauerin zwischen den Disziplinen.
Das Atelier ist auch nicht nur auf einen geschlossenen Raum beschränkt. Es breitet sich aus. Es durchdringt die ganze Einrichtung, es ist überall zu sehen und zu spüren. Malaguzzi spricht von der „Impertinenz des Ateliers“. Es kennt keine Grenzen, es löst trennende Grenzlinien auf. Es leistet seinen Beitrag in sämtlichen Bereichen, nicht nur im klassisch-künstlerischen Bereich. Es ist interdisziplinär - die Fächer verschmelzen.
Der zweite Grund, warum wir „Atelier“ und nicht „Laboratorio“ - also „Werkstatt" sagen: In einer Werkstatt stellen wir ein Produkt her. Es gibt eine Aufgabe, die wir ausführen sollen, eine vorgeplante Tätigkeit mit vorbestimmten Schritten.
Im Atelier geht es um einen Prozess, der durch einen Impuls ausgelöst wird - es wird ein Lernprozess ausgelöst. Wenn wir über die Kultur des Ateliers sprechen, dann sprechen wir über Lernprozesse und „Sprachen“, die angeboten werden. Es geht nicht nur um mündliche Sprache, es geht um visuelle, mathematische, logische, wissenschaftliche Sprachen. Tanzen, Musik, Fotografie, Singen ist Sprache. Das Atelier bietet diese Sprachen an. Es geht um Ausdrucksfähigkeit, Sensibilität, Rationalität. Die ästhetische Dimension zu erleben, hat nicht nur mit KunstWERKEN zu tun. Das Kind verwendet 100 Sprachen um sich auszudrücken, um über sich zu erzählen.“
Welchen Prinzipien folge ich in meiner Atelier-Arbeit?
Warum nenne ich mich Atelierista?
- Grenzlinien auflösen: Das Atelier als Schmelztiegel der Disziplinen. Die Atelierista als Brückenbauerin. Ich arbeite permanent an Schnittstellen zwischen den Fächern und Disziplinen. Meine zwei „Spezialdisziplinen“ sind die Bildende Kunst und die Literatur. Ich bin aber immer auch auf der Suche nach anderen Überschneidungen. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich etwa im Rahmen unseres (uns = wir = Kunstschule Wolkersdorf + Musikschule Wolkersdorf) großen „Klangfarben & Farbklänge“ Projekts mit dem Aufeinandertreffen von Bildender Kunst und Musik, Tanz und Performance. Viele meiner Überlegungen und Projekte führen mich auch in den MINT-Bereich - ja, auch Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik lassen sich wunderbar mit Literatur, Kunst und Gestaltung verbinden!
- Das Bild vom
forschenden Kind: Kinder haben eine intrinsische Motivation zu lernen und zu forschen - sie brauchen keine Motivation von außen, sie kommt aus einem ganz natürlichen inneren Antrieb. Ich schätze es sehr, mit Kindern im Kindergarten- und Volksschulalter zu arbeiten, weil man diese Motivation, diese unbändige Neugier und Begeisterungsfähigkeit so stark zu spüren bekommt. Es wäre einfach zu schade, auf diesen Wissensdurst und diesen angeborenen Forscherdrang nicht zu reagieren. Immer und überall - auch im Atelier. Das Atelier ist nicht nur ein Raum des reinen Gestaltens, sondern des Forschens und Lernens. In meinem Atelier haben die Kinder immer die Möglichkeit etwas
aktiv zu erforschen und zu hinterfragen und mit individuellem Ausdruck auf ihre Eindrücke zu reagieren.
- Das Bild vom kompetenten Kind: dem Kind etwas zutrauen, auf seine Fähigkeiten, die Welt zu erforschen, auf seine Kreativität vertrauen. Ich traue Kindern in meinem Atelier sehr viel zu. Ich weiß, dass sie nur einen kleinen Impuls brauchen, um daraus große Ideen zu entwickeln und individuell umzusetzen. Nur so können Kinder Selbstvertrauen in ihre (schöpferischen) Fähigkeiten erlangen - wenn man ihnen etwas zutraut. Traue ich ihnen zu, selbst ein Tier zu zeichnen oder muss ich für alle den gleichen Schmetterling vorzeichnen oder kopieren, den sie dann nur mehr ausmalen oder ausschneiden müssen? Damit würde ich signalisieren: du kannst es nicht, ich mache es für dich.
- Kreativität: Dieses Wort wird oft inflationär und falsch verwendet. Etwas nach einer Vorlage, Schrift für Schritt zu gestalten ist völlig legitim, wenn man es ab und zu tut, um gewisse Fertigkeiten zu erlernen bzw. Kompetenzen zu erlangen, hat aber hat nichts mit Kreativität zu tun. In meinem Atelier bekommen Kinder die Möglichkeit wirklich kreativ zu sein, ihr volles Potenzial zu entfalten. „Creare“ - das heißt: etwas neu schöpfen, etwas erfinden, dem Kind die Möglichkeit geben, eigene Ideen einzubringen, eigene Lösungswege zu finden und eigene Hypothesen aufzustellen.
- Wertschätzung: Ich gehe wertschätzend mit Aussagen, Fragen und Hypothesen der Kinder um. Ich höre aufmerksam zu (auch wenn es manchmal laut und chaotisch rundherum ist). Ich gehe wertschätzend mit ihren Ideen um und mit ihrer Art, Dinge auf ihre individuelle Art und Weise zu auszudrücken.
- Prozess vor Produkt: Der Atelier-Prozess hat einen höheren Stellenwert als das Produkt, das hergestellt wird. Siehe oben: Atelier vs. Werkstatt. Es ist schön, wenn ein Kunstwerk entsteht, aber es ist nicht wichtig. Manchmal geht man aus dem Atelier und nimmt Erfahrungen mit, keine Dinge. Manchmal hat man "nur" experimentiert, geforscht, gelacht, geredet, gespielt, gelernt und gedacht ohne danach ein sichtbares Produkt der in der Hand zu halten.
- Eigenständigkeit: Ich achte darauf, die Kinder beim Gestalten eigenständig und lösungsorientiert arbeiten zu lassen - mich aus dem Prozess des eigenständigen Arbeitens möglichst herauszuhalten, bis es (in manchen Fällen) wirklich notwendig ist. Ich mache mir Gedanken, wann, wie und warum ich eingreife. Welche Möglichkeiten des Eingreifens/der Hilfestellung ich habe - Impulse geben, Fragen stellen, ermutigen, etc. ohne gleich eine Lösung vorzugeben. Eigenständigkeit wird im Bildungswesen groß geschrieben. Mehr qualitativ hochwertiger Kunstunterricht würde eine große Chance bieten, diese Fähigkeit zu fördern!
- Aufmerksamkeit und Beobachtung: Ich versuche ganz bewusst wahrzunehmen, zuzuhören und zu beobachten, was die Kinder aktuell interessiert, womit sie sich beschäftigen und frage mich: wo kann ich ansetzen? Frage der Relevanz - Ist das Projekt bzw. das Thema relevant für die Kinder?
- Ko-Konstruktion, Partizipation: Ich gebe den Kindern die Möglichkeit zu partizipieren - mitzubestimmen. Selbstbestimmte Lernprozesse sind nachhaltiger! In meinem Atelier gibt es die Möglichkeit, Wünsche zu äussern, was Themen, Techniken oder Projekte betrifft. Es ist im Atelier nicht so, dass jedes Kind immer an seinem eigenen Thema oder mit seinen selbst gewählten Techniken arbeitet. Wir haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt, ein gemeinsames Thema. Demokratische Abstimmungen haben einen großen Stellenwert. Wohin sich das Thema entwickelt ist offen und individuell.
- Materialien: Es ist mir wichtig, dass die Kinder in meinem Atelier hochwertige und vielfältige Materialien zur Verfügung haben —> Ästhetik der Materialien – sollen alle Sinne anregen, zum Gestalten auffordern, Lust machen (Reggio-Begriff: "Flirt mit dem Material"), möglichst undefiniert, unvorgefertigt sein, Gestaltungsmöglichkeiten offen lassen, Fantasie anregen.
Techniken: Neben vielseitigen Materialerfahrungen ist es förderlich für den individuellen Ausdruck, wenn die Kinder möglichst viele
Techniken und Werkzeuge kennen lernen, damit sie ihre Ideen noch optimaler umsetzen können. Auch hier spielt das Bild vom kompetenten Kind eine wichtige Rolle (s.o.) Wenn ich dem Kind zutraue, und natürlich auch zeige wie man mit vermeintlich gefährlichen Werkzeugen wie mit einer Säge oder Heißklebepistole richtig umgeht, wird es das schaffen und große Freude daran haben.
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